Recherchiert man bei Google, sind Märchen „Erzählungen über wundersame Begebenheiten und spannende Abenteuer, die oft ein gutes Ende haben“. In der Grimm-Stadt Hanau ist unseren Jungs genau dies gelungen. Zusammen mit etwa 15 mitgereisten Fans konnte die Schmiedt-Sieben einen unerwarteten Sieg beim Favoriten feiern und Bonus-Punkte im Kampf um den Klassenerhalt sammeln. Der Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz beträgt vier Spieltage vor Saisonende jetzt vier Punkte.
Knapp 300 Zuschauer hatten sich in der Main-Kinzig-Halle eingefundenen und sahen ein stark verändertes Heim-Team. Trainer Hannes Geist musste neben den Langzeitverletzten Jannik Ruppert und Robin Marquardt mit Kapitän Maximilian Bergold, Cedric Schiefer und Luca Braun auf drei weitere Leistungsträger verzichten, die im bisherigen Saisonverlauf zusammen für 338 Tore verantwortlich zeichneten. Mit Sebastian Hein und Jost Warm durften daher zwei A-Jugendliche ihre Drittliga-Premiere feiern, zudem komplettierte der stark aufspielende Torben Scholl aus dem Oberliga-Team den Kader. Doch auch HLZ-Coach Gabriel Schmiedt fehlten mit Nikola Sorda, Niklas Schwenzer, Jan-Philipp Winkler und Matthias Meyer weiterhin wichtige Spieler, womit die Mannschaftsaufstellung nahezu identisch mit der Vorwoche beim Heimsieg gegen den TV Gelnhausen (23:22) war.
Zu Beginn der Partie zeigten sich die Gastgeber effektiver in ihrem Angriffsbemühungen. Sowohl über die beiden Außen Paul Hüttmann und Julian Fulda (11 Tore in der Vorwoche), als auch durch Kreisläufer Dziugas Jusys kamen die Hanauer zum Torerfolg. Im Rückraum zog der nominelle Rechtsaußen Dennis Gerst auf der Spielmacher-Position geschickt die Fäden, auf Halblinks dominierte Jonas Ahrensmeier die Anfangsphase (4 Tore in den ersten 13 Minuten). Das HLZ verteidigte gut, belohnte sich zu Beginn aber nicht in der Offensive und scheiterte immer wieder an Keeper Can Adanir. Über ein 4:1 nach fünf Minuten hieß es nach 12 Minuten 7:4 und das Spiel schien seinen erwarteten Verlauf zu nehmen. Beim Stand von 5:3 zeigte Roko Peribonio seine erste Parade gegen Linksaußen Julian Fulda
, doch zunächst verpasste sein Team den Anschlusstreffer – Kapitän Simon Schwarz scheiterte freistehend vom Kreis. Beim 7:5 war Schwarz dann mit einem spektakulären Rückhandwurf erfolgreicher und wenig später verkürzte Patrick Friedmann über die erste Welle zum 7:6 (13.). Das HLZ war wieder im Spiel, trotz bereits 9 Fehlwürfen in der ersten Viertelstunde. Ein Doppelschlag von Rechtsaußen Paul Hüttmann binnen 17 Sekunden brachte die Grimmstädter wieder mit 11:7 in Front. Im Tor des HLZ löste jetzt Philipp Wenning den glücklosen Roko Peribonio ab, konnte aber das 12:8 in der 24. Minute nicht verhindern. Erneut war Paul Hüttmann erfolgreich, dieses Mal per Siebenmeter. Die letzten sechs Minuten der ersten Hälfte standen dann aber im Zeichen des HLZ. Keeper Wenning kam gut in die Partie und parierte unter anderem in der 27. Minute einen freien Wurf vom Kreis, die erste Welle vollendete Kaspar Manfeldt Hansen zum 12:10. Mihailo Ilic und Gianluca Herbel mit einem sehenswerten Heber stellten den Halbzeitstand von 13:12 für die Gastgeber her. Unser Team zeigte sich jetzt deutlich effektiver, 17 Fehlwürfe bei nur drei technischen Fehlern in der ersten Halbzeit verhinderten eine mögliche Pausenführung.
„Wir haben uns in der Halbzeit gesagt: Wir machen gefühlt ein schlechtes Spiel und liegen trotz der vielen Fehlwürfe in Hanau nur mit einem Tor zurück. Wir gehen jetzt raus und ziehen das Ding“, analysierte Kapitän Simon Schwarz nach dem Spiel die erste Hälfte. Und tatsächlich gelang Luis Maier mit dem zweiten Ballbesitz der Ausgleich zum 13:13. Für die erste Führung sollte es aber noch nicht reichen, doch das 16:15 durch Julian Fulda in der 39. Minute sollte für die nächsten sieben Minuten den letzten Jubel des Blauen Blocks auslösen. Hanau suchte immer wieder die Kooperation mit dem Kreis, was unsere Jungs aber mit leidenschaftlicher Verteidigung zu verhindern wussten. Stattdessen drehte das HLZ mit einem 5:0-Lauf die Partie zum 16:20. Luis Maier, Moritz Schulz per Siebenmeter (erneut perfekt bei drei Versuchen vom Strich), zweimal Simon Schwarz und Kaspar Manfeldt Hansen waren erfolgreich. Julian Fulda brach den Bann im Nachwurf, nachdem er vom Strich an Philipp Wenning gescheitert war. Bis zur 48. Minute konnte Grün-Weiß-Rot den Vier-Tore-Vorsprung beim Stand von 18:22 halten, doch Hanau steckte nicht auf und wollte die Punkte unbedingt in Hessen behalten. Torben Scholl erzielte das 20:22 und stellte unsere Defensive vor massive Probleme. Gabriel Schmiedt nahm folgerichtig die Auszeit in der 52. Spielminute. Die Crunch-Time wurde durch einen Treffer zum 20:23 von Gianluca Herbel eröffnet, der von Linksaußen den starken Can Adanir (14 Paraden) überwand. Torben Scholl fand in David Rivic jetzt einen dankbaren Abnehmer für seine Kreisanspiele und drei Minuten vor Schluss glich dieser die Nervenschlacht mit zwei Toren in Folge zum 25:25 aus. Doch auf Seiten des HLZ zeigten unsere Jungs ihre Qualitäten im Spiel mit dem Kreis und vor allem Kaspar Manfeldt Hansen war jetzt ein entscheidender Faktor, tankte sich zum 25:26 durch und zog dabei eine Zeitstrafe gegen Julian Fulda. Hanau hatte sich bereits in den letzten Minuten darauf verlegt, unsere Rechtsaußen zum Schuss kommen zu lassen. Eine Strategie, die sich aus Sicht der Gastgeber durchaus bewährte, sich im Endspurt aber rächen sollte. Patrick Friedmann besetzte nun diese Position, fasste sich ein Herz und bezwang Adanir 69 Sekunden vor dem Ende zum 26:27. Dennis Gerst glich erneut aus und 23 Sekunden blieben noch zum Siegtreffer – Auszeit HLZ! Der Ball ging erneut an den Kreis, Kaspar Manfeldt Hansen setzte sich mit einem wahren Kraftakt durch und wurde zum Matchwinner. 27:28 drei Sekunden vor Schluss – Auszeit Hanau! Jonas Ahrensmeier versuchte es aus 17 Metern mit einem Aufsetzer, doch Philipp Wenning hielt mit seiner zehnten Parade den viel umjubelten und auch verdienten Sieg fest.
Ein Erfolg des Willens in einem Duell zweier personell stark gebeutelter Mannschaften, in dem beide Teams bis zum Schluss alles gegeben hatten. „Unsere Kreisläufer Kaspar und Simon sind heute die Matchwinner. Aber eigentlich möchte ich niemanden aus der Mannschaft herausheben, weil jeder seinen Beitrag zum Erfolg geleistet hat“, war Coach Gabriel Schmiedt nach dem Spiel stolz auf seine Jungs. „Das sind natürlich enorm wichtige Punkte für uns, mit denen wahrscheinlich nur die wenigsten gerechnet haben. Aber in dieser Staffel ist einiges möglich. Wir sind noch lange nicht durch und müssen am Freitag gegen Dansenberg nachlegen!“, liegt der Fokus bereits auf der kommenden Aufgabe.
Zum Schluss geht noch ein Dank an Fans und Verantwortliche der HSG Hanau für die faire Gratulation zum Sieg sowie die guten Wünsche für die Heimfahrt und den Rest der Saison. Einmal mehr ein Beispiel für den freundlichen Umgang der Freunde unseres geliebten Handballsports untereinander, von welchem sich so manch anderer Sport eine Scheibe abschneiden kann. Auch wir wünschen der HSG Hanau nur das Beste im Saisonendspurt.
HSG Hanau
Benedikt Müller (Tor), Can Adanir (Tor), Jan-Eric Ritter, Sebastian Hein, Dziugas Jusys (1), Jost Warm, Dennis Gerst (3), Torben Scholl (3), Jonas Ahrensmeier (5), Nils Schröder, David Rivic (4), Julian Fulda (5/1), Paul Hüttmann (5/2), Max Moock (1)
HLZ Friesenheim-Hochdorf
Philipp Wenning (Tor), Roko Peribonio (Tor), Mika Schwenken (Tor), Moritz Schulz (3/3), Mihailo Ilic (4), Luis Maier (2), Nick Haas, Marcel Reis (1), David Szilagyi (2), Patrick Friedmann (2), Gianluca Herbel (2), Kaspar Manfeldt Hansen (5), Timo Heuft, Simon Schwarz (7), Levin Bohn
Schiedsrichter: Timo Bernhardt, Philipp Peiser
Zuschauer: 291
Siebenmeter: 3/4 zu 3/3
Zeitstrafen: 2 zu 3
Spielfilm: 4:1, 7:6, 11:7, 12:10, 13:12 (HZ), 13:13, 16:15, 16:20, 22:23, 25:25, 27:28 (Ende)
Text: Holger Friedmann
Bild: Matthias Meyer